Ein Schlüssel, 216 Adressen, 472 Menschen

Ein Junge mit autistischen Zügen reist quer durch New York – Die Verfilmung des Bestsellers Extrem laut und unglaublich nah erschien gerade auf DVD.

Rock im Stadtpark Text: Sarah Düvel, Grafik: Warner Home Video

Magdeburg| Wenn wir etwas herausfinden wollen, befragen wir einfach schnell das Google-Orakel. Doch manchmal finden sich Antworten nicht so leicht. Was soll man tun, wenn man einen Schlüssel hat und sich das passende Schloss irgendwo in New York befindet? Genau diesem Problem sieht sich Oskar Schell gegenüber, ein Junge mit vielen Phobien, dazu impulsiv, eigenbrötlerisch, vielleicht autistisch. Rätsel sind für ihn kein Problem. Früher schickte sein Vater ihn quer durch die Stadt auf Entdeckungsreisen. Dabei musste Oskar mit fremden Menschen sprechen, um seine Ängste zu überwinden. Doch Oskars Vater ist nicht mehr da. Er starb bei den Anschlägen des 11. September.

Erst ein Jahr nach seinem Tod traut sich Oskar wieder, das alte Zimmer seines Vaters zu betreten. Dabei findet er einen Umschlag mit einem Schlüssel. Der einzige Hinweis, den er hat, ist das Wort „Black“ auf dem Umschlag. Wie soll er nur das passende Schloss finden und das letzte Rätsel seines Vaters lösen? Irgendjemand muss ihn ja gekannt haben und etwas darüber wissen – also besucht Oskar jeden einzelnen New Yorker mit Namen „Black“ – 472 Menschen. Dabei trifft er auf viele verschiedene Charaktere, geprägt von eigenen Verlusten.

Extrem laut und unglaublich nah beschäftigt sich zwar mit den Anschlägen auf das World Trade Center von 2001, wird dabei aber nicht politisch. Das ist auch gut so. Hier wird nicht über Schuld und Moral philosophiert, sondern der Schrecken einer ganzen Stadt gezeigt. Im Mittelpunkt steht Oskar, der versucht, auf seine eigene Art mit dem Tod seines Vaters fertig zu werden.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jonathan Safran Foer, die Regie führte Stephen Daldry (Der Vorleser, Billy Elliot). Auch wenn es viele schöne Momente gibt, wird man förmlich von Oskars Trauer mitgerissen. Wenn er sich die letzten Worte seines Vaters kurz vor dem Anschlag immer wieder auf dem Anrufbeantworter hören muss, möchte man ihn am liebsten von dem Gerät wegzerren, um die Traurigkeit zu beenden. Es wirkt ein bisschen, als würde Daldry auch den letzten Zuschauer zum Weinen bringen wollen.

Aber der Film bleibt authentisch. Die Ereignisse sind haargenau auf die Zeiten des Terroranschlags abgestimmt. Dass Tom Hanks und Sandra Bullock als Oskars Eltern eine hervorragende Leistung abgeben, ist fast schon selbstverständlich. Umso beeindruckender ist, dass Thomas Horn als Oskar ihnen trotz seiner ersten großen Rolle in nichts nachsteht. Neben dem verbissenen Entdecker zeigt er einen vielseitigen Charakter, der an dieser schier unlösbaren Aufgabe fast verzweifelt.

Leider sind die Wendungen in der Geschichte manchmal vorhersehbar, aber darüber kann man hinwegsehen, da die Darsteller und die Geschichten der anderen New Yorker die Story am Leben erhalten. Zwar tritt immer wieder eine traurige Atmosphäre ein, die aber nicht erdrückend wirkt. Auf beeindruckende Weise verarbeitet Oskar den Tod seines Vaters und findet dabei Halt bei Menschen, die auch jemanden verloren haben. Am Ende ist klar, dass schlimme Dinge passieren, doch irgendwie muss man lernen, damit umzugehen und weiterleben. Jeder hat den Schlüssel für einen Neuanfang. Er muss nur in das richtige Schloss passen.


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