Bachelor vs. Diplom

Wo sind all die Demonstranten hin?

Im Gegensatz zu 2009 gehen in diesem Jahr nur noch wenige 100 Studenten auf die Straße. Die Zeit hat die ehemals so erbittert Kämpfenden müde gemacht. Sie forderten mehr Mitbestimmung, bessere Lehr-und Lernbedingungen, größere Auswahlmöglichkeiten, die Chance auf ein Auslandssemester. Was davon aber wurde erreicht?

Politik und Hochschulen sind darum bemüht, den Forderungen der Studenten nachzukommen. Mit mehr oder weniger großem Erfolg. Einige Hochschulen wollen den Bachelor auf 7 oder 8 Semester verlängern, um so den Zeitdruck zu senken und die Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen abschaffen. Gut gemeint, aber schlecht gedacht. Denn bloße Schönheitsreparaturen werden am eigentlichen Konzept nichts ändern. Statt kreativem Aufbruch wird, vermeintlich allen entgegenkommendes, Mittelmaß gefahren. Grundproblem bleibt aber weiterhin die starke Verschulung des Studiums. So ist die Prüfungsdichte am Semesterende gleichbleibend hoch, werden 2 Creditpoints für 40 Seiten Hausarbeit oder gar nur ca.10 CP der gesamten Credits für die Bachelorarbeit vergeben. Aufwand und Nutzen stehen in keinerlei Verhältnis zueinander. Durch ständige Leistungsnachweise auch innerhalb des Semesters, so etwa Protokolle, Praktika, Essays oder Referate, bleibt kaum Zeit, sich fächerübergreifend einen Überblick über das bereits Gelernte zu verschaffen- weil schon wieder der nächste Leistungsnachweis ansteht. Allerdings sollte man sich bewusst machen, dass eigenes Denken und vor allem kritisches Hinterfragen im späteren Beruf immer gefordert sein werden. Man kann sich also nicht darauf berufen, dass im Studium kein Raum für eigene Gedanken war. Dennoch wäre es nötig, die bisherige Punktevergabe zu überdenken und Fächer nach Wichtigkeit zu unterscheiden. Dann nämlich würde vor allem für die Fächer hart gearbeitet werden, die später auch Anwendung finden. Und nicht das Pulver für einmalige Referate oder Randvorlesungen verschossen. Ein Vorschlag wäre auch die Einführung eines fächerübergreifenden Einführungsjahres oder semesterweise wissenschaftliche Forschungsprojekte- ohne damit verbundene Abschlussarbeit. Damit würde der Einstieg ins Studium erleichtert und kontinuierliches wissenschaftliches Denken gefördert.
Zum Kritikpunkt der mangelnden Wahlfreiheit bezüglich der Module lässt sich ausführen: Mehr als die Hälfte der Studenten beklagte, Ihre persönlichen Interessen zu wenig verfolgen zu können. Richtig daran ist, dass die Größe der Kurse oftmals falsch eingeschätzt und entsprechend kleine Räume zur Verfügung gestellt werden. Das ändert sich selbst dann nicht, wenn der Kurs in jedem Semester gleichbleibend überfüllt ist. Hier besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf seitens der Hochschule bei der Planung. Aber auch die Studierenden sollten sich offen über die Missstände äußern, statt einfach den Kurs zu verlassen. Damit geben sie das Problem nur an die nächste Generation von Studenten weiter. Bloße zahlenmäßige Beschränkungen lassen sich dabei oftmals durch persönliches Nachfragen und Absprache mit den Professoren lockern. Denn es bricht im Laufe der ersten Wochen oft jemand den Kurs ab, dessen Platz dann neu zu vergeben ist. Beschränkte Wahlmöglichkeiten haben darüber hinaus durchaus ihre Berechtigung: vor der Bologna-Reform war das Studium oft unübersichtlich. Viele Studenten fühlten sich in dem Wirrwarr aus Modulen oft verloren, brachen selbst in höheren Semestern noch ab oder brauchten sehr lange bis zum Abschluss. Vielen liegt aber daran, zügig und effizient durch die Uni zu kommen. Dazu dient ein geregelter Tagesablauf, der durch die festgelegten Kurse garantiert wird. Gleichzeitig weiß man so, wann welches Modul abgeschlossen werden muss und welche aufeinander aufbauen. Herrscht immer noch Unklarheit, kann man zusätzlich die Studienberatung und die Sprechstunden der Professoren in Anspruch nehmen. Konnte also der gewünschte Kurs nicht belegt werden, bleibt immernoch der Gang zum Prof oder zur Hochschulleitung. In jedem Fall sollte man sich den strikten Vorgaben nicht unterordnen, sondern sie auch mal kritisch hinterfragen. Im Dialog mit den Verantwortlichen lässt sich dann oftmals eine Lösung finden.
Ein dritter Aspekt der Kritik war das Auslandssemester. Vielfach wurde es nicht anerkannt oder führte zur Verlängerung der Studienzeit. Man fragt sich, warum es ein Problem darstellt, die im Ausland erbrachten Leistungen anzurechnen oder Alternativen für verpasste Kurse anzubieten. Andererseits war es auch zu Zeiten des Diploms nicht die Regel, während der Studienzeit ein Praktikum oder komplettes Semester fernab der Uni zu verbringen. Hegt man aber dennoch diesen Wunsch, so muss man die Auseinandersetzung mit der Hochschule in Kauf nehmen oder aber die Verlängerung der Studienzeit. Die gesammelten Erfahrungen und Sprachkenntnisse sollten einem das auf jeden Fall wert sein.
Schaut man sich nun an, inwiefern die Ziele der Protestbewegung erreicht wurden, stellt man fest: es war ein erstes Auflehnen gegen festgefahrene Strukturen. Die Diskussion um den Bachelor wurde erneut entfacht und damit in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Doch es ist noch ein weiter Weg bis zum neuen Bachelor und es muss täglich dafür gekämpft werden. Dafür sollte man sich die Interessen der anderen Parteien bewusst machen: die der Politiker, die oft nur an Einsparungen interessiert sind; die der Verwaltung, die häufig wenig an individuellen Lösungen interessiert ist; und die der Professoren, deren Karriere von Forschungserfolgen und dem Ansehen unter Kollegen abhängt, nicht aber davon, wie gut sie sich um ihre Studenten kümmern. Genau an diesen Punkten muss man ansetzen: den Politikern vorführen, was schlechte Bildung für den Arbeitsmarkt bedeutet; der Verwaltung, dass Studentenproteste erst versiegen, wenn wirklich etwas geändert wird und den Professoren, dass Interaktion wichtiger ist, als distanziertes Vortragen. Wie man im letzten Jahr gesehen hat, führen spontane Demos zwar zu Aufmerksamkeit, nicht aber zu langfristigen Lösungen. Nutzt also studentische Einrichtungen wie den StuRa, um gezielt mit konkreten Vorschlägen anzutreten. Und nicht nur contra, sondern auch Diskussion mit der Hochschulleitung können zum gewünschten Erfolg führen.

 

Text:  Madlen Jirmann

 


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