Dobry Rzut – Gut Holz Gemeinsamkeiten trotz Unterschiede

In unserer Reihe „Generation Auswanderung – Heimat ist überall“ berichten junge Studenten über ihre Erlebnisse während ihrer Auslandsaufenthalte. Unser Reporter Andreas verbrachte Anfang dieses Jahres drei Monate in der polnischen Metropole Danzig und arbeitete für das Deutsche Wochenblatt und das hiesige Generalkonsulat. Unter dem Thema Gemeinsamkeiten trotz Unterschiede machte er sich auf die Suche nach ganz besonderen Menschen, deren Besonderheit im Alltäglichen liegt. Schließlich fand er Bruno und seine Kegelfreunde.

Bruno, DanzigText: Andreas Lilienthal Fotos: Andreas Lilienthal

Danzig| Es ist Freitag 11.30 Uhr, der 27.Feburar 2011. Ich habe nach langem Suchen endlich die richtige Adresse gefunden. Vor mir eines kleines unscheinbares Haus mit Flachdach. Das muss das Keglerheim sein. Es liegt unweit des Universitätsklinikum in Gdansk.

Bruno Polsfuß (69) hat mich heute zum Kegeln mit seinen Freunden eingeladen. Bruno ist Mitglied der Deutschen Minderheit. Er lebt nun seit fast 10 Jahren in Danzig. Im Jahr 2002 packte er seine sieben Sachen und entschied sich zusammen mit seiner Frau, die gebürtig aus Danzig stammt, seinen Ruhestand in der Ostmetropole zu verleben.

Geboren ist Bruno 1941 in Kalinowa, dem heutigen Załęże in der Nähe von Kattowitz. Im Februar 1945 floh er als kleines Kind mit seiner Familie vor den anrückenden sowjetischen Truppen und kam wenige Tage später in Ribbeck im Havelland an. Diese Stadt sollte für die nächsten Jahre seine neue Heimat werden, bevor er letztendlich nach Greven/ Westfalen zog.

Im Jahr 1984 besuchte Bruno erstmals einen alten Freund in Danzig. Er lernte die Stadt und ihre Menschen kennen. In den darauffolgenden Jahren kam er immer häufiger zu Besuch. Nachdem seine erste Frau gestorben war, lernte Bruno in Danzig 1996 seine neue Frau Anna kennen und lieben. In den ersten Jahren ihrer Beziehung lebten sie in seiner Heimat, in Westfalen, doch nach seinem Gang in den Ruhestand fasste Bruno den Entschluss in dem Land seiner Frau einen Neuanfang zu wagen; ein Abenteuer, auf das er sich gerne einließ.

Die bürokratischen Formalitäten waren recht schnell geregelt. „Die deutsche und polnische Kultur sind gar nicht so verschieden“, sagt Bruno, als ich ihn frage, wie groß die Umstellung für ihn gewesen sei, „Bloß die polnische Sprache ist sehr schwer. Ich bin in einem Alter, in dem man so etwas nicht mehr so leicht lernt.“ Ich merke schnell, dass Brunos Polnisch wahrlich nicht das Beste ist und so unterhält er sich mit seinen Freunden eher durch ein Gemisch aus Deutsch, Polnisch, Händen und Füßen. „Beim Kegeln muss man nicht viel reden. Wir verstehen uns auch so ganz gut“, meint Bruno.

Brunos KegelfreundWie ich wenig später sehen kann, braucht man bei der obligatorischen Wodka- Runde noch weniger Sprachkenntnisse. Jeden Freitag treffen sich die fünf älteren Leute zum und gemütlichen Beisammensein. Bruno ist durch seinen Kegeln Freund Władek dazugekommen. „Wir haben uns damals bei einer Seniorenreise kennengelernt. Władek und ich haben uns gut verstanden und ich hatte ihm versprochen, ihn nach dem Urlaub anzurufen.“

Seit dem sind die Beiden gute Freunde, die mehr als das gemeinsame Kegeln verbindet. „Władek sagte mir damals, ich wäre die erste seiner Urlaubsbekanntschaften gewesen, die danach wirklich angerufen hat und die Verbindung aufrecht erhalten wollte“, gibt mir Bruno einem zufriedenen Lächeln zu verstehen.

Im Hintergrund ruft einer der Kegler laut „sexy…sexy“. Er hat gerade mit seinem Wurf sechs Kegel umgeworfen. Das ist beim Kegeln keine Besonderheit, trotzdem gibt es darauf erst mal einen Schnaps.

Heute hat Bruno das beste Händchen und gewinnt die gemütliche Kegelrunde mit einem knappen Vorsprung vor seinem Kumpel Władek. In zwei Wochen solle ich unbedingt wiederkommen, da sei Grand Prix angesagt. Den spielen sie einmal im Monat und am Ende des Jahres wird zusammengerechnet. „Ein bisschen Ehrgeiz gehört eben auch dazu“, gibt mir Bruno mit stolzgeschwellter Brust zu verstehen.

Nach ein paar amüsanten und erfahrungsreichen Stunden mit den Keglern und gefühlten 100 Schnäpsen im Magen mache ich mich auf den Heimweg und wünsche allen „Dobry Rzut“, was auf Deutsch so viel heißt wie „Gut Holz“. Wieder einmal hat sich mir gezeigt, dass kultureller Austausch keine Sprachbarrieren kennt.



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