Erinnerungen in Stein

Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig – Stand der Dinge

widok2 Danzig | Am 01. September 1939 begann mit den ersten Schüssen des als Schulschiff der Kriegsmarine     genutzten Linienschiffes Schleswig-Holstein um 04:45 Uhr auf das Munitionsdepot der Westerplatte der 2. Weltkrieg. Auch der damals 11 jährige Günther Grass kann sich noch heute an das knatternde Geräusch der Sturzkampfbomber des Typs Junkers Ju-87 erinnern, welche die polnischen Stellungen beschossen. Er wohnte damals mit seiner Familie in dem Arbeiterviertel Langfuhr am Rande der Stadt Danzig. Dieser Tag war der Anfang eines Krieges, der Europa in seinen Grundfesten erschütterte und uns teilweise bis in die Gegenwart verfolgt und beschäftigt.

Am 1. September 2014, jährt sich dieses Ereignis bereits zum 75. Mal. Anlässlich dieses besonderen Jahrestages soll in Danzig das „Museum des Zweiten Weltkrieges“ feierlich eröffnet werden. Breits 2007 entstand die Idee für solch ein Projekt, als der polnische Ministerpräsident Donald Tusk die Notwendigkeit einer Institution betonte, die den 2. Weltkrieg aus allen Perspektiven beleuchtet. Das Museum soll ein Novum in der europäischen Aufarbeitung des Weltkrieges darstellen, denn der polnische Blick soll in den Hintergrund gerückt werden und eine objektive Sicht aller beteiligten Staaten auf die Entwicklung des Krieges entstehen und aufgezeigt werden. Der Museumdirektor Paweł Machcewicz und sein Stellvertreter Janusz Marszalec betonen, dass es in diesem Museum vordergründig um Europa und dessen Sicht auf den Krieg gehen solle. Man möchte damit jedem Land mit seiner eigenen Geschichte gerecht werden. Auch die internationale Historikerkommission des „Museum des Zweiten Weltkrieges“ möchte mit der Konzeption des Museums einem ihrer Meinung nach verzerrtem Bild der Geschichte entgegenwirken.

Der Brite Norman Davis, Mitglied der Historikerkommission betonte, man müsse in neuen historischen Kategorien denken und erkennen, dass auch Joseph Stalin als Führer der Sowjetunion genauso eine Schuld am 2. Weltkrieg trage, wie Adolf Hitler. Die Historiker sind sich einig, man dürfe diesen Teil der Geschichte nicht mehr aus der Sicht nationalglorifizierter Geschichtsschreibung präsentieren. Doch damit rufen sie nicht nur Befürworter auf den Plan. Besonders den nationalkonservativen Ultras Polens, wie etwa Dorota Arciszewska-Mielewczyk, Abgeordnete in der zweiten polnischen Parlamentskammer, dem Senat, stößt dieses Denken gewaltig auf. Das Kernstück der Ausstellung sollte das Martyrium der polnischen Nation sein, dies wäre man dem polnischen Volk schuldig, meint sie. Ministerpräsident Donald Tusk verdeutlichte jedoch in der Vergangenheit immer wieder, dass man an dem jetzigen Konzept festhalten müsse. Das Museumsteam versucht unterdessen weiterhin, die Gegner zu beschwichtigen, in dem sie die korrekte historische Aufarbeitung anführen, bei der auch die polnische Geschichte ihren Platz finden wird.

Doch nicht nur historische Gründe waren Ausschlaggebend für die Umsetzung dieses Projektes. Das „Museum des Zweiten Weltkrieges“, welches unweit der historischen Danziger Post entstehen soll und dem Land ca. 358,4 Zloty (ca. 92 Mio. Euro) aus dem Staatshaushalt kosten wird, soll vor allem ein Besuchermagnet werden und die Touristenzahl in Danzig als auch in der gesamten pommerschen Region steigern und Polen eine bedeutende Position innerhalb eines offenen Europas verleihen. Ein Novum stellt das Projekt jedoch jetzt schon dar. Selten wurde einem Museum schon 3 Jahre vor der Fertigstellung solch eine politische wie gesellschaftliche Bürde auferlegt wie diesem. Man darf gespannt sein, wie das Museumsteam und die internationale Historikerkommission mit dieser Verantwortung umgehen werden.

 

 

Text:  Andreas Lilienthal
Fotos:  Architekturbüro KWADRAT

 


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