Elfenbein, Waffenschieberei und andere Klischees
Schließen Sie die Augen und versuchen Sie sich eine Vorstellung von „Afrika“ zu machen. Was fällt Ihnen zuerst ein? Vermutlich Akazien, rote Erde, intensivste Sonnenstrahlen, Dornengestrüpp, Savanne und Elefanten. Kurzum: Kenia.
Text/Fotos: Theresia Reinhold
Generation Auswanderung – Heimat ist überall. Auswanderung als Zeitgeistphänomen eines globalen Lebensstils? Auch einige der Youngspeech.de Reporter haben schon den süßen Duft des Auslandsaufenthaltes inhaliert. In den kommenden Wochen werden einige unserer Reporter an dieser Stelle ihre Erfahrungen mitteilen und die fremden Länder und Kulturen vorstellen, in denen sie weilten.
Den Anfang macht Theresia Reinhold, die fast ein Jahr in Kenia weilte und das Land und deren Bevölkerung kennenlernte.
Dieses Land am Horn von Afrika gehört zu den Vorzeigeländern des Kontinents. Es ist wohl eines der am häufigsten besuchten Länder der Afrikas. Doch im Grundes auch eines der Touristenziele über welches wir recht wenig wissen, nahezu fast gar nichts. So hatte auch ich keine Vorstellung davon, was mich erwartet, als ich im August letzten Jahres in den Flieger stieg und mich für ein knappes Jahr auf den Weg machte, mein Leben von Deutschland nach Kenia zu verlagern. Nun bin ich schon seit einiger Zeit wieder zurück und noch immer ist Kenia für mich unbeschreiblich, unfassbar, aber wunderschön in Erinnerung geblieben.
Dennoch, fernab jedes Klischees oder jeder Stigmatisierung, fielen mir immer wieder ein paar Dinge ins Auge, die ich hier für sich sprechen lassen möchte.
Wenn ich vor die Haustür trete, werden ich auf den ersten neunzig Metern gefühlte drei Mal fast über- und zwei Mal angefahren. Sechs Jahre fahren ohne Führerschein? Kein Problem, keine Streifenpolizei, Probleme hat er genug.
Von überall her tönt es “Mambo”, “Jambo” und “Mzungu”. Ich schließe die Ohren, hör nicht mehr auf die Kinder, die mich rufen oder sehe nicht mehr die Frauen, alt und jung, die Hand aufhaltend, in den Augen die Klage, betteln an jeder dritten Ecke, ob bedürftig oder nicht, spielt keine Rolle, ein Versuch ist es wert. Ich habe nix, sina pesa, ohne Frage – gelogen, doch was würde es denn nützen? Realistisch betrachtet?
Ein teurer Apfel in der Tasche, auf dem Boden liegt zerquetscht der Pfand des letzten Jahres, hinzu gesellt sich Müll jeder Façon, das Leben hier ist hart.
Umweltprobleme wie globale Erwärmung, was soll’s?! Technik, Entwicklung der Westen wird gewünscht, bitte gleich, sofort. Die Welt ist doch ohnehin verloren, darum wollen die Menschen vom Untergang wenigstens etwas haben. Es ist, sprichwörtlich, kurz vor zwölf.
Hauptsache der Mann ist kugelrund, daneben Kinder ohne Stift und Hefte in der Schule, das Geld reicht gerade um den Ältesten hinzuschicken. Was nützt da schon die neue Verfassung, was bringt der Stolz auf den Mann im Weißen Haus denn dem Land seiner Väter?
Urlauberparadies mit hartem Kern, die Touristen sind peinlich, trotzdem gern gesehen. Sie bringen Geld, ohne einen Blick zu haben für das eigentliche Problem. “Wir helfen ihnen doch, in dem wir hier sind.” Es lebe der Massentourismus, der keiner mehr ist.
Der Westen unterschätzt, redet nur, Handeln verboten, so ist es ja bequem. Ohne Frage, der Schein zählt allein, riesige Konferenzen, in klimatisierten Räumen auf Bali, oder… Die Welt, wird propagiert, schaut zu. Keine Lösung, null komma gar nix kommt dabei raus. Die Verzweiflung der “kleinen” ist echt und vor allem medienwirksam. Hält die Presse in Schach, aber nach zweiundsiebzig Stunden kein Wort mehr. Probleme durch die Diskussion über einen Stümper verdrängt.
Man lebt hier übrigens beengt. Sieben Kinder in drei Betten scheint normal, ist, streng genommen, schon Wohlstand. Aber Popcorn an jeder Straße. “Eine kühle Brause dazu?” Man kennt die Namen, große Marken vor k(l)einem Einkommen. In Werbung wird investiert, davor Kinder in zerrissenen Schuhen und Erwachsene mit Kleidung aus dem Land, das man kennt, der dumme deutsche Spruch darauf ist egal, Hauptsache es wärmt ein wenig, wärmt ein wenig die Seele.
Latrine und Breitbildfernseher, Satellitenschüssel und zerschlissenes Moskitonetz.
Ich habe Weltschmerzmusik in den Ohren, wenn es nach ihr geht ist “Nicht lieben” das schlimmste Vergehen. Das echte Leid nur 3 Meter vom Bett entfernt, bei Nacht fast überfallen, ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Wenn der Magen knurrt ist das Mittel egal.
Willst du helfen, wirst du schnell desillusioniert, die zu Hause applaudiert, es tönt: Du hast es wenigstens probiert. Doch was nützt der Versuch, wenn nebenan das Kind an den Masern oder schlimmerem krepiert?
Und nebenbei Bewerbungen schreiben. Welt retten für Eintausendneunhundert Euro Brutto im Monat.
Wer versteht die Welt? Aber Frust kommt nicht auf, man kann ja immer gehen.
“Ich kann mich noch so sehr schämen für die Welt aus der ich komme, man sagt: Das nackte Überleben sei ja nichts neues unter der Sonne.” (Dota Kerr)