Leipziger Buchmesse 2013 – Im Westen nichts Neues, doch der Osten blüht

Vier Tage lang präsentiert der Leipziger Bücherfrühling den interessierten Besuchern wieder 100.000 Buchtitel, darunter 20.000 Neuerscheinungen, 2.069 Aussteller aus 43 Ländern, 2.900 Autoren und Mitwirkende und 2.800 Veranstaltungen auf 69.000 Quadratmetern. Ein kulturelles Lesevergnügen der Superlative mit einem gewaltigem Hauch Traditionen und einem kleinen Anflug von Melancholie.

Mein BuchText: Andreas Lilienthal | Fotos: Andreas Lilienthal

Bereits zur Halbzeit der Buchmesse machten sich 64.000 Bücherfreunde auf den Weg nach Leipzig, um Literatur und Literaten zu entdecken, zu erleben und sich natürlich über die aktuellen Trends und Entwicklungen der Literaturbranche zu informieren. Nachdem wir unser Lager in Leipzig errichtet hatten, stürzten wir uns mit viel Enthusiasmus ins Geschehen, in der Hoffnung vollgepackt zurückzukehren, mit jeder Menge Prospekten, Heften mit Leseproben und zahllosen kleinen Gimmicks, die spätestens in den heimischen vier Wänden nutzlos erscheinen.

Die zentralen Themen der Leipziger Buchmesse sind in diesem Jahr die neuen Entwicklungen in den Bereichen Social Reading, transmediales Storytelling, Self-Publishing und natürlich wieder einmal die Vor- und Nachteile der zunehmenden Digitalisierung. Welche Einbußen erlebt das traditionelle Buchgeschäft derzeit, welche Chancen birgt das digitale Zeitalter und welche Bedeutung kommt dabei dem Urheberrecht zu? Mit diesen Fragen beschäftigte man sich, zu unserem Erstaunen, jedoch an weniger Ständen als erwartet. In zahllosen Gesprächen gestanden uns besonders die Verleger, dass es sinnvoller wäre, die neuen Tendenzen bereits im Verlagsprogramm zu berücksichtigen und zu integrieren, als sich endlos mit den Fragen der Entwicklung zu beschäftigen.

Thomas Steinfelds, Journalist der Süddeutschen Zeitung ist sogar der Meinung, man müsse sich keine Sorgen um die deutsche Buchbranche machen, denn das elektronische Werk werde das gedruckte sogar fördern.

Doch wir vernahmen bei unserer weiteren Recherche vereinzelt auch ganz andere, nicht so positiv gestimmte Töne. Am Stand der taz. kritisierten einzelne Experten die Selbstbeweihräucherung der Branche während gestandene Druckunternehmen mit argen Problemen zu kämpfen haben oder bereits von der Bildfläche verschwunden sind. Ausgerechnet das Leipziger Traditionsunternehmen Messedruck Leipzig, ein Tochterunternehmen der Druckerei Offizin Andersen Nexö (OAN) sowie die Leipziger Kunst- und Verlagsbuchbinderei GmbH mussten erst im Januar Insolvenzanträge beim Amtsgericht Leipzig stellen. Und dies sei nur der Anfang, wurde uns im Gespräch suggeriert.

Trotz der teilweise melancholischen Stimmung konnten wir auch recht erfreuliche Erkenntnisse von der Messe mitnehmen. Im Sperrfeuer von Popkultur und Medienrummel konnte sich auch in diesem Jahr wieder ein Klassiker durchsetzen: Dem von uns verehrten Georg Büchner, der in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden wäre, wurde von Hermann Kurzke in seiner Biografie „Georg Büchner – Geschichte eines Genies“, neues Leben eingehaucht.

Außerdem sind auch in diesem Jahr unter dem Motto „tranzyt“ Literaten und Verleger aus Polen, der Ukraine und Belarus in den Fokus gerückt. Laut dem österreichischem Autor und Kurator Martin Pollack bieten die politischen Entwicklungen in Belarus und der Ukraine bei weitem keinen Anlass zu überschäumendem Optimismus. Aber deshalb sei es umso wichtiger, genau hinzuschauen und hinzuhören, was sich in diesen Ländern ereigne, was Autoren und Künstler dort bewege, was sie schrieben. „Belarus ist nicht nur Lukaschenko, die Ukraine nicht nur Janukowytsch“, sagt Pollack mit Nachdruck.

Mit der Programmreihe „tranzyt. Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus“ zeigt die Buchmesse die literarische Vielfalt entlang der EU-Ostgrenze. Mit dem dreijährigen Programmschwerpunkt folgt die Messe weiter ihrem Ziel, neue, interessante Autoren aus der Region Mittel- und Osteuropa einem breiteren Publikum vorzustellen und ihre Übersetzung und Veröffentlichung bei deutschsprachigen Verlagen zu befördern. Ein positiver Trend – osteuropäische Literatur erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Besonders die Unterstützung des deutschen Buchmarktes beflügelt die osteuropäischen Autoren und treibt damit wertvolle Blüten. Allein auf der diesjährigen Buchmesse lasen 40 Gastautoren aus Polen, Weißrussland und der Ukraine aus ihren neuen Werken.

Für uns endete der intensive Rundgang traditionell in der Welt der Mangas und Cosplayer, die auch in diesem Jahr für den besonderen Farbtupfer auf der Messe sorgten.
Mit wahnsinnig vielen Eindrücken und der finalen Weisheit, dass sich die Buchmesse, wenn auch im Kleinen, endlich dazu durchgerungen hat, auch mit den schweren und unangenehmen Themen zu beschäftigen und adäquare Lösungen zu suchen, verließen wir Leipzig und werden sicherlich im nächsten Jahr wiederkommen und mitdiskutieren.


 


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