Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut
Über Facebook hatte ich erfahren, dass eine neue Kundgebung in Halle (Saale) gegen die Sparpolitik der Hochschulen in Sachsen-Anhalt, anlässlich des Besuchs von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff stattfand. Da auch ich in den letzten Zügen meiner Bachelorarbeit stehe, und mich deshalb direkt betroffen fühle, machte ich mich also am 15. Mai auf den Weg zum Universitätsplatz in Halle. Ich war gespannt, was mich erwarten würde.
Text: Maria Urban | Fotos: Maria Urban
Bereits in den letzten Wochen war immer wieder von neuen Demonstrationen in Halle und Magdeburg zu lesen. Vorangegangen war eine Welle der Bestürzung, Wut und Enttäuschung, nicht zuletzt über die Entlassung von Frau Birgitta Wolff, der früheren Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin. Frau Wolff wurde ein Opfer ihrer eigenen Courage, da sie kein Blatt vor den Mund nahm und keine Scheu vor kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit an der beschlossenen Sparpolitik hatte. Anstatt ihrer wurde der linientreue niedersächsische Ex-Finanzminister Möllring mit ins sinkende Bildungsboot geholt um die Sache doch noch ans trockene Ufer zu bringen. Doch hatten die Herren des Landes die Fahrt ohne die wütenden Studenten, Professoren und Mitarbeiter der Hochschulen geplant.
Dank der Initiative vieler enthusiastischer Spargegner und des medialen Aufgebots konnte in den letzten Wochen mittels Demonstrationen, Kundgebungen und einer groß angelegten Unterschriftenpetition der Druck auf die Landesregierung auf ein Maximum gesteigert werden.
Außerdem konnte das allgemeine Interesse am Thema Bildung in der breiten Öffentlichkeit geweckt werden. Die angekündigten Maßnahmen zur aktuellen Sparpolitik im Bildungssektor, insbesondere die damit verbundene drohende Schließung der medizinischen Fakultäten in Halle und Magdeburg erregte allein in Halle das Interesse von über 7.000 Demonstranten.
Schon auf meiner Fahrt zur Kundgebung begegnete ich vielen Leuten mit Pfeifen, Protestschildern und Möhren. Unter dem Motto „Mein Name ist Hase(loff), ich weiß von nichts!“ wollte das Aktionsbündnis MLU auf die schädliche Kürzungspolitik für die Zukunft des Landes symbolisch verweisen. Bereits um 17 Uhr herrschte ein munteres Treiben – viele junge Leute aber auch ältere Mitbürger der Stadt Halle hatten sich bereits auf dem Universitätsplatz versammelt. Im Laufe der Kundgebung kam ich mit einigen Teilnehmern ins Gespräch und sie erzählten mir warum sie gerade jetzt dabei sind und was sie sich erhoffen. Der O-Ton der meisten Beteiligten ist die Wut und die Enttäuschung über die Kaltschnäuzigkeit der Politiker mit der sie über das Thema Bildung entscheiden. Es sind Hallenser die sich für ihre Stadt und ihre Universität stark machen, um zu zeigen das man mit den Bürgen nicht alles machen kann. Denn viele sehen gerade in unseren Universitäten die Chance für ein starkes Land und den Grund für den Zustrom an Studenten aus den sogenannten alten Bundesländern. Die Qualität der hiesigen Hochschulen ist schließlich eines der wesentlichen Elemente für Studierende, sich für Sachsen-Anhalt zu entscheiden.
Nach einiger Zeit des Wartens war es dann soweit, lautes Pfeifen, Rasselgetöse und Buhrufe begleiteten den Weg von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff zum Rednerpult. Nur einen kurzen Moment wirkte sein Blick ein wenig unsicher, ohne jedoch sein professionelles Auftreten zu verlieren. Fast ein wenig überwältigt und traurig von den vielen Menschen die offenkundig gegen ihn als „Sparteufel“ in Person wetterten. Es folgte eine Rede mit leeren Worthülsen und willkürlich austauschbaren Phrasen: „Halle bleibt unsere größte Universität im Land und das ist gut so“, die Demonstranten reagierten zunehmend mit Pfiffen und lautstarken Zwischenrufen.
Als unser Ministerpräsident allerdings meinte, „Wir müssen trotzdem mit den Realitäten leben wie sie sind. Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben“, war es für mich fast wie ein Schlag ins Gesicht. In den Gesichtern meiner Nachbarn sah ich die gleiche Unfassbarkeit. Wie konnte genau dieser Mensch es wagen von Realität zu sprechen und die Chancenlosigkeit von Sachsen-Anhalt in vielen Bereichen gegenüber anderen Bundesländern zu ignorieren.
So ging es wie in einem Zwei-Mann-Dialog weiter. Haseloff als „Sparteufel“ und die Demonstranten als „Bildungsheilige“, fast wie bei Goethes Faust dachte ich und lächelte ein wenig in mich hinein. Als sich die Massen langsam aufteilten ging ich noch einmal in mich – Halle bleibt unsere größte Universität im Land – und ich fragte mich, was ist mit Magdeburg? Die Frage nach der Solidarisierung der Städte ergab sich fast von allein und leider habe ich auch jetzt noch das Gefühl, dass jede Stadt für sich selbst kämpft. Sehr nachdenklich setzte ich mich auf mein Fahrrad und fuhr zusammen mit gefühlten 5.000 ebenso nachdenklichen Demonstranten heim, mit der Hoffnung, dass man auch im Kabinett noch zur Einsicht kommt, dass dies der falsche Weg ist. Denn zum Glück ist die Kabinettvorlage nicht die heilige Schrift, auch wenn sie vom großen Bullerjahn stammt, wie der Uni-Rektor Udo Sträter so schön bemerkte.
Warum gehst du demonstrieren?
Ingrid (60)
„Ich möchte, dass die Uni ihre Qualität behält“
Lucas (21), Natalie (20)
„Um Präsenz für meine Uni zu zeigen. Denn lieber hier und uninformiert als informiert und nicht dabei!“
Florian (26)
„Bildung ist die zentrale Zukunftsinvestition!“
Beathe (36)
„Ich bin wütend und finde es schade für unsere traditionsreiche Martin Luther Universität. Vermutlich denken die da Oben bei der Bildung gibt es den wenigsten Widerstand!“
Steffen (29) und Christin (26)
„Wir haben beide hier studiert, uns hier kennen und lieben gelernt. Wir wollen das unsere beiden Mäuse auch noch hier studieren können!“
Sten (44)
„Ich bin hier, um für Halle und zur Universität zu stehen, die eine 300 jährige Tradition besitzt!“