Interview mit Christian Ulmen – Mich nervt das Gejammer über die Quotenkultur

MTV-Idol, Verwandlungskünstler, Unternehmer. Christian Ulmen ist der Tausendsassa unter den deutschen Unterhaltungskünstlern. Ein Mann mit vielen Facetten. Wir sprachen mit ihm über die MTV-Generation, das Älterwerden und schlechte Einschaltquoten.

Christian UlmenText: Andreas Lilienthal Fotos: Rene Staud, J.Gern

Magdeburg| Ihre Karriere begann 1996 bei MTV als englischsprachiger Moderator in London, sie waren also von Anfang dabei, würden sie sich im Rückblick selbst als Teil der sogenannten MTV Generation bezeichnen?

Als Zuschauer definitiv, als Macher kam ich aber zu spät. Unter der „Generation MTV“ verstehe ich die Ray-Cokes-Zeiten Anfang bis Mitte der 90er Jahre. Als Pip Dann und Rebecca De Ruvo noch moderierten und alle Jungs aus meiner Klasse in die verknallt waren, als es noch „Dial MTV“ gab, Nirvana in die Kameras rotzten, Partys keinen DJ brauchten, weil durchweg MTV lief und ich mir den Wecker stellte, um mitternachts die Premiere des Videos zu „November Rain“ nicht zu verpassen – das ist die MTV Generation gewesen. Als ich 1996 dazu kam, war Musikfernsehen noch eine riesige Institution, das war extrem aufregend damals in London, fiel aber schon eher in die darauf folgende Generation „schickt uns mal ne E-Mail“.

Eine interessante Entwicklung, vom MTV Popkultur-Moderator zum Komiker für die Intellektuellen. Für sie eine normale Entwicklung oder gab es da irgendwann einen bewussten Imagewandel?

Wenn einer mit 36 keine Haare mehr hat und runzlige Bäckchen vom vielen rauchen, mit 20 aber noch total frisch aussah, dann würde man da ja auch nicht von einem Imagewandel sprechen. Die Zeit nagt natürlicher Weise an allen Ecken und Kanten des Seins, und das sieht man halt irgendwann. Ich verwende zwar Gesichts- und Augencremes, meine letzte regelmäßige MTV-Show ist aber auch schon 10 Jahre her. Gott sei Dank bin ich jetzt nicht mehr der Moderator von damals. Und ich sehe mich heute eigentlich nicht als Komiker. Ich spiele Rollen. Die meisten davon sind lustig oder tragisch-komisch. Auch der Moderator war eine Rolle. Man nimmt sich schließlich etwas vor, wenn man vor eine Kamera tritt. Da ist der Weg zum gelernten Text im Kostüm nicht so weit. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass bei allem, was ich je vor der Kamera getan habe, immer dieselben Synapsen in meinem Gehirn verschaltet waren.

Obwohl sie einer der erfolgreichsten deutschen Schauspieler sind haben sie nie Schauspielunterricht genommen. Hindert sie das manchmal beim Ausführen mancher Rollen oder gibt es sogar Häme der Kollegen?

Christian UlmenÜberhaupt nicht. Noch nie. Rollen, die ich nicht kann, nehme ich einfach nicht an. Für meine nicht vorhandene klassische Schauspielausbildung muss ich mich immer nur vor emsigen Journalisten rechtfertigen, die aber, wenn ich umgekehrt nachfragte, auch nie auf einer Journalistenschule waren, sondern mal beim Weserkurier als Praktikant so reingeschnuppert haben und dann irgendwie bei der Mopo hängen geblieben sind. Sehen Sie, entgegne ich dann immer, ist bei mir nicht anders. Früher habe ich mich immer erklärt: Dass Schauspielschulen doch fürs Theater ausbilden und Film hingegen das dezentere Spiel braucht, dass die allermeisten Filmschauspieler nie auf einer Schauspielschule waren, es bei denen bloß keiner weiß, weil die ihre Jugend nicht öffentlich im Musikfernsehen verbrachten und so weiter. Inzwischen rechtfertige ich mich da nicht mehr. Ich erkläre immer nur, wie ich mich früher noch gerechtfertigt habe. Das lässt mich etwas lässiger erscheinen.

Sie sagen haben immer wieder gesagt, dass sie sich nicht auf die Theaterbühne trauen würden. Welche Rolle müsste kommen bzw. was müsste passieren damit sie diesen Schritt doch irgendwann wagen?

Gar keine. Das hat auch nichts mit Wagnis zu tun, denn solches habe ich nie gescheut, sondern damit, gut darüber bescheid zu wissen, was man will und was nicht. Theater könnte ich schlichtweg nicht. Das ist nicht mein Ding. Seit ich 12 bin laufe ich mit Videokameras durch die Gegend. Film und Fernsehen sind genau meine Sache, Theater interessiert mich nur als Zuschauer.

Wenn man sich ihre zahlreichen Rollen anschaut entdeckt man, dass sie oft intelligente aber im Zwischenmenschlichen manchmal etwas sonderliche Personen spielen. Ist das meist nur Zufall oder steckt etwas dieser Eigenschaften auch in der Person Christian Ulmen?

Ich bitte um Nachsicht, wenn ich hier antworte wie ein glitschiger Aal, aber ich denke wirklich nicht gerne darüber nach, wie ich eigentlich so bin. Immer, wenn ich das versucht habe, hat es mich aufgeregt. Ich habe, glaube ich, ganz viele Eigenschaften, die ich an Anderen schon nicht ausstehen kann. Darum schaue ich seit Jahren wohlwollend über meine eigene charakterliche Beschaffenheit hinweg. Darin bin ich sehr erfolgreich. Ich kann Ihnen inzwischen gar nicht mehr sagen, ob ich Ähnlichkeiten mit meinen Filmfiguren habe. Aber wenn man bedenkt, dass die Figuren alle von unterschiedlichen Drehbuchautoren erfunden wurden, wären Ähnlichkeiten schon eher Zufall.

Ihr damalige Sendung „Mein neuer Freund“ wurde ja mangels Quote nach der ersten Folge ins Nachtprogramm verbannt. Da stellt sich mir die Frage wie geht ein erfolgreicher Schauspieler wie Christian Ulmen mit schlechten Einschaltquoten um?

Wenn die Fortsetzung einer Serie von der Quote abhängt, hänge ich natürlich morgens um 7 vor dem Fernseher und gucke im Teletext, wie schlimm es denn gestern wieder war und ob ich weiter machen darf. Seit ich hauptsächlich Kinofilme drehe und mit meiner Firma erfolgreich Web-TV oder Sendungen für solch wirklich großartige Qualitäts-Kanäle wie zdf_neo oder arte machen darf, ist das Quoten-Thema für mich wesentlich entspannter geworden. Es ist natürlich noch da, nervt aber nicht mehr so wahnsinnig. Allerdings nervt mich auch das Gejammer über die Quoten-Kultur. Denn das nützt ja nichts. Ich sehe im Aufkommen der vielen öffentlich-rechtlichen Digitalsender wirklich eine segensreiche Medizin für unsere leidenden Fernsehseelen. Da laufen sehr schöne, teilweise brillante Sachen, und die werden vom Zuschauer immer mehr entdeckt.

Der Lieblingsfilm der Redaktion ist aufgrund unserer Affinität zu Polen eindeutig Hochzeitspolka. Da wir selbst die Erfahrung machen durften Polnisch zu lernen fragen wir uns natürlich wie lang haben Sie dafür gebraucht?

Ich lernte überhaupt kein polnisch. Ich prägte mir vor jeder Szene rein akustisch die Laute dieser Sprache ein und gab sie mehrmals wieder. Lernen geht nun wirklich anders.

Wir hatten vorhin schon erwähnt, dass sie schon zahlreiche Charaktere in ihren Filmen oder Sendungen angenommen haben. Gibt es da in Hinblick auf die Zukunft überhaupt noch eine Rolle die sich richtig reizen würde?

Ich habe keine solche Vision. Momentan arbeite ich an einem Kinofilm, in dem meine Figuren aus „Mein Neuer Freund“ Knut Hansen, Uwe Wöllner und Alexander von Eich aufeinander treffen. Das hatte ich schon länger im Kopf. Darauf freue ich mich.



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