Das war der Vorhof zur Hölle.
Zärtlichkeiten mit Freunden – ungekürzt und unzensiert!
Eine Busfahrt die ist lustig… und nicht nur das! Seit 2013 ist die Band »Zärtlichkeiten mit Freunden“ im Bus unterwegs und trifft dabei Persönlichkeiten aus der Musikszene. Es wird geredet, musiziert und die Mitteldeutsche Landschaft und Kultur im MDR versendet. Wir haben die Zwei Perücken-Träger gesprochen und sind nun schlauer…
Interview: Jörn Yeti Rohrberg | Fotos: Joachim Blobel / 42film
Spielt ihr eigentlich bewusst mir eurem Dialekt oder wäre euch das zu klischeehaft/abgedroschen?
ZmF: Wir platzieren unseren Dialekt sehr reflektiert an wichtige Stellen im Programm. Der Reiz ist ja, die verschiedenen phonostilistischen Ebenen, die uns zur Verfügung stehen, gegeneinander zu stellen. Der Kontrast, der dadurch situationsabhängig zwischen Hochsprache und dialektnaher Umgangssprache entsteht, erzeugt ja oft die Komik. Aber, um die Frage einfacher zu beantworten: Ja.
Ihr habt euch in kleinen Studentenclubs eure ersten Sporen verdient. Musstest ihr euer Programm für die größeren Shows eigentlich sehr verändern oder ist dies mit der Größe des Saales mitgewachsen?
ZmF: Das Programm ist immer mitgewachsen und dichter geworden. Wir haben uns ja am Anfang nicht hingesetzt und ein Programm geschrieben, sondern hatten das Glück einige Jahre auf Silberhochzeiten, Dorffesten und CB-Funkertreffen zu tingeln. Da gab es immer Raum für Improvisation, aus der schlussendlich ein Programm entstanden ist, das nun in Theatern und Kabaretthäusern seinen Platz gefunden hat. Im Prinzip haben wir aber die Silberhochzeitsunterhaltung fürs Theater salonfähig gemacht. Das ist unser Trick.
Bei einer Schiffstaufe in Riesa seid ihr das erste Mal unter dem Namen „Schlagerzärtlichkeiten mit Freunden“ aufgetreten. Später wurde daraus „Zärtlichkeiten mit Freunden“. Verwirrt der Name viele bzw. sorgt für grobe Missverständnisse und ist im Nachhinein betrachtet eher unglücklich gewählt?
ZmF: Der Name verwirrt bestimmt viele, aber wir haben den Namen ja bewusst gewählt, um uns hochinteressant zu machen. Und das ist uns gelungen. Es gab allerdings schon fetzige Fehlkreationen wie „Zeitzer Zärtlichkeiten“, „Zärtlichkeit mit Freude“ oder „Zärtlichkeiten mit einer Fremden“. Noch nie allerdings gab es: „Freundlichkeiten mit Pferden“.
Ihr bekommt tagtäglich Anfragen für Shows, Fernsehauftritte und Produktionen, wird dies dann gänzlich von euch selbst verwaltet und im Eigenmanagement abgearbeitet? Gibt es Ansprüche oder Ausschlusskriterien für einen Auftritt?
ZmF: Wir machen in unserer Band so ziemlich alles selbst, weil wir Kontrollfreaks sind. Damit haben wir alle Entscheidungen selber in der Hand, allerdings auch allerhand Arbeit. Der große Vorteil ist dabei für uns, dass wir genau wissen, wo wir auftreten und mit wem wir es zu tun haben. Es gibt durchaus Ausschlusskriterien für Auftritte. Da gäbe es schon einige Vereine, Parteien oder Firmen, bei denen wir niemals spielen würden.
Habt ihr eigentlich auch schon negative Erfahrungen mit eurem Programm gemacht? Vielleicht, dass eure Art von Witz beim Publikum partout nicht ankommen wollte? Besonders in Regionen, die der Heimat fremd sind?
ZmF: Wir sind vor vielen Jahren mal bei einem Klassentreffen aufgetreten, bei dem sich die Leute 15 Jahre nicht gesehen haben. Das war der Vorhof zur Hölle. Wir waren einfach falsch dort. Die Leute wollten sich miteinander unterhalten und sich gegenseitig Dinge sagen wie: „Mensch, Rainer, bist Du fett geworden!“ Das war eine harte Erfahrung, wenn man vom Publikum gefragt wird, ob man nicht leiser spielen kann, oder vielleicht im Keller, oder am allerbesten gar nicht.
Christoph: Du hast deine ersten musikalischen Erfahrungen bei „Ten Sing“ gemacht. Eine musikalische Gruppe des CVJM. Spielt das Christentum in deinem Leben (noch) eine große Rolle?
Christoph: Wir sind ja beide durch die harte Schule von „Ten Sing“ gegangen. Geschadet hat es uns keinesfalls. Silbermond übrigens auch nicht. Scheint also ein Konzept zu sein, das aufgeht. Ich finde Jesus gut und bin Christ, aber mit „Ten Sing“ hat das nicht so viel zu tun. Da fand ich eher reizvoll, dass da ein Schlagzeug zum Üben im Probenraum stand.
Christoph, deine Uni war in Halle, während Stefan in Sachsen blieb und studierte. Wie war Halle für dich? Hast du dich schnell eingelebt oder hast du Anfängerfehler gemacht (zu frühes Aufstehen), von denen du nun abraten kannst?
Christoph: Ich habe viele Jahre in Halle gewohnt und liebe diese Stadt noch immer sehr. Ich überlege manchmal sogar, wieder zurückzuziehen. Das können nicht viele nachvollziehen. Aber auf meiner Weltrangliste kommt gleich nach Reykjavík die kleine Salzstadt an der Saale. Ich habe mich hier sehr schnell eingelebt. Am Anfang bin ich oft über das Hallesche „Na“ gestolpert, bis ich begriffen habe, dass es ja fast so etwas Schönes ist wie unser „Nu“. Ab dann ging´s.
Stefan: Dresden war doch da sicher eher Heimspiel so als Sachse aus Riesa? Aber auch da wären natürlich einige Tipps gut, – welche Fehler (außer Hochdeutsch sprechen) sollte man in Dresden vermeiden?
Stefan: Die Zeit, in der ich in Dresden gewohnt habe, liegt ja mittlerweile schon einige Jahre zurück. Ich habe keinen großen Unterschied zu unserer Heimat Riesa feststellen können – das „Nu“ war das „Nu“, welches ich kannte. Der Tipp, den man zu meiner Studentenzeit beherzigen musste, war: „Meide die Altstadt und konzentriere dich voll und ganz auf die Neustadt.“
Euer neues Format heißt „Zärtlichkeiten im Bus“, darin werden namhafte Stars der Musikbranche interviewt, gibt es einen Wunschkandidaten von euch? Wir haben gehört, Phil Collins hat gerade nicht viel zu tun.
ZmF: Prinzipiell freuen wir uns über jeden Gast, der in unseren Bus kommt. Wir kannten ja die meisten Gäste vor den Fahrten noch nicht. Es war immer toll, neue interessante Künstler kennenzulernen, auch wenn man deren Musik vorher nicht unbedingt im Walkman mit sich herumgetragen hat. Aber nach mehreren Stunden Dreh wieder auszusteigen und dann ein bisschen befreundet zu sein, ist schon schön. Es ist immer ein bisschen wie Klassenfahrt: Man verbringt eine schöne Zeit zusammen, macht Quatsch, musiziert gemeinsam, und dann gibt es beim Abschied Tränen. Zu den Gästen der 2013´er Staffel haben wir auch ab und zu noch Kontakt. Man schreibt sich oder besucht sich gegenseitig bei Auftritten.
Euer Bus tourt aktuell durch die Mitteldeutschen Lande, ist das Format auf Gesamtdeutschland anwendbar oder treibt euch der Lokalpatriotismus eher dazu, die Umgebung der (weiteren) Heimat den Künstlern näher zu bringen?
ZmF: Was vielleicht die wenigsten wissen – wir kommen ja aus unserer Heimat. Wir finden es gut, hier unterwegs zu sein. Wir entdecken auf unseren Reisen oft abgefahrene Dinge, die wir vorher noch gar nicht kannten. Zum Beispiel waren wir mit der Sängerin Anna F. im Mansfelder Land zum Platzbahnkegeln. Das ist jetzt unser neuer Lieblingssport.
Außerdem fährt der Bus nur 80. Da brauchen wir eine Woche bis Aurich.
Welcher Interviewgast hat euch am meisten überrascht?
ZmF: Andreas Bourani. Der war so herrlich entspannt und hat wirklich jeden Quatsch mitgemacht – und oft noch einen oben drauf gesetzt. Dufter Typ.
Eine Busfahrt seit 2013 mit angeschlossenem Proberaum und einem kleinen Team – sicher läuft da nicht immer alles reibungslos, gibt es eine Lieblingsstory von der Busfahrt mit euch?
ZmF: Ehrlich gesagt, lief bis jetzt eigentlich fast alles ziemlich reibungslos ab. Gut, wir haben just am kältesten Tag im April (6 Grad Celsius – das sind 41 Grad Fahrenheit) besonders viele Außendrehs in der Sendung gehabt. Und in dem Bus zieht es auch durch alle Dichtlippen und Lochbleche. Aber die tapfere Sängerin Anna F. hat alles mitgemacht und sich zum Glück nicht erkältet. In der Sendung sieht man aber den dampfenden Odem und den Reif in den Wimpern.
Nachdem die letzten Jahre voller Kabarettpreise und diverser Programme erfolgreich waren und auch 2014 vielversprechend ist… Was erwartet uns in der nächsten Zeit von euch? Gibt es Pläne mit dem Bus oder steht schon das Flugzeug bereit?
ZmF: Bis jetzt gibt es noch nichts Konkretes. Wir werden nach der Sommerpause wieder fleißig in Deutschland unterwegs sein und endlich wieder live unsere Programme spielen. In der Weihnachtszeit wird es ein paar ausgewählte Termine mit unserem Weihnachtsprogramm geben. Mit unserem Freund, dem Reellen Reentko aus dem Bus, wollen wir endlich eine Punkband namens „Klinke/Klinke“ gründen und in schäbigen Jugendclubs auftreten. Wie es mit dem Bus weitergeht, liegt in der Hand des MDR. Da wird vermutlich in den nächsten Wochen eine Entscheidung fallen. Man darf gespannt sein.
Ihr werbt u.a. für diverse politische und soziale Aktionen (Gegen Waffenhandel, LobbyControl, Foodwatch, VivaConAgua). Welche liegt euch aktuell besonders am Herzen und warum?
ZmF: Die genannten und andere liegen uns alle irgendwie am Herzen. Wir finden es wichtig, die Möglichkeit, dass wir doch einige Menschen erreichen, zu nutzen und auf bestimmte Dinge und Probleme aufmerksam zu machen. Wir haben in der letzten Zeit besonders versucht, auf das geplante und hinter verschlossenen Türen verhandelte Freihandelsabkommen TTIP hinzuweisen. Es gab oft Zuschauer, die davon noch nichts gehört hatten und sich hinterher für die Informationen bedankt haben. Und irgendwie lassen sich die Dinge sowieso gar nicht so klar voneinander trennen.
Inwiefern ist damit zu rechnen, dass ein rein politisches Kabarett mit euch zu erleben sein [Original: passieren] wird?
ZmF: Wir finden, dass es stellenweise schon sehr politisch in unseren Programmen zugeht. Ein rein politisches Programm wäre uns aber dann auch irgendwie zu einseitig. Das wären dann nicht mehr Cordula Zwischenfisch und Ines Fleiwa, die auf der Bühne stünden. Ob Christoph und Stefan mal ein rein politisches Kabarett-Programm machen, das wird die Zeit zeigen.
Beobachtet ihr die politische Bühne intensiv oder eher die musikalische Ecke? Was sagt ihr zum Beispiel zur neugestalteten Sendung „Die Anstalt“, welche nun noch bissiger wird und deswegen mehr Kritik bekommt. Entertainment statt Politik – rechnet ihr mit mehr Zensur durch Politik in der TV-Landschaft?
ZmF: Wir beobachten sowohl Politik als auch Musik mit Sorge. Am allerschlimmsten wird es dann, wenn sich beides vermischt und auf einer Wahlsiegfeier die Kanzlerin und ihre Gefolgschaft einen Song der Toten Hosen kakophonieren. Die neue „Anstalt“ finden wir großartig und wir sehen, dass die Kollegen da sehr gute Arbeit leisten. Da werden heiße Eisen angepackt. Wir denken, dass es schon einiges an Zensur im Fernsehen und in den Medien gibt, was bei der Berichterstattung zum TTIP besonders deutlich wurde. Zum Glück können wir ja im Internet noch andere Informationsquellen anzapfen. Noch.
Montagsdemos, Online-Petitionen, Online-Kommentarflut: Während die einen Weltverschwörungen sehen und mit Aluhut auf die Straße gehen (wenn überhaupt), haben andere Zukunftsangst – ob nun ein Krieg bevorstehen mag oder man nach dem Studium keinen Job findet. Was für einen Tipp habt ihr für die „jungen“ Talente und Macher von morgen?
ZmF: Anecken, Fehler machen, noch mehr Fehler machen. Oder so, wie es der große John Cleese formulierte: “Nichts wird Dich so gründlich daran hindern, kreativ zu sein, wie die Angst, einen Fehler zu machen.”
In eurem Technikrider verlangt ihr einen fähigen und nüchternen Tontechniker, was außer diesen 2 Personen (? nur eine Person?) darf niemals fehlen bei einem Auftritt? PS: Publikum zählt nicht.
ZmF: Wichtiger wäre, dass es eine Person ist, die nüchtern und fähig ist. Ein nüchterner, aber unfähiger Tontechniker und ein fähiger, aber vollständig zugelöteter Tontechniker wären keine große Hilfe.
Mehr Infos unter http://www.zaertlichkeitenmitfreunden.de