Wer sich nicht bewegt, kann nichts bewegen! – Felix Klemme im Interview
Das gute alte Training an der frischen Luft ist immer noch am besten. Dieser Weisheit folgt auch Personaltrainer, Felix Klemme, der das Konzept des Outdoor Gym Anfang des Jahres ins Leben gerufen hat und seit dem vielen Menschen hilft, ihr Leben leichter zu nehmen.
Text: Andreas Lilienthal | Fotos: Lara Burr-Evans
Felix Klemme ist uns bestens bekannt aus der RTL2 Sendung „Extrem schwer – Mein Weg in ein neues Leben“, in der er mit viel Feingefühl und einer ordentlichen Portion Motivation verzweifelte Menschen mit Gewichtsproblemen an die Hand nimmt und ihnen den Weg in ein neues Leben weist. Wir trafen Felix zum Gespräch und plauderten mit ihm über Couchpotatoes und besondere Erfolgserlebnisse.
Warum ist gerade das Training an der frischen Luft so wichtig?
Die Natur hat vielfältige Einflüsse auf unsere Gesundheit und unser Immunsystem. Gerade im Winter oder zur kalten Jahreszeit zieht es uns in beheizte Räume, wir haben wenig bis gar kein Sonnenlicht oder Tageslicht, da wir morgens und abends im Dunkeln von Heim zu Arbeit pendeln. Uns fehlt das lebenswichtige Hormon Vitamin D, welches wir vor allem durch Sonne beziehen. Zudem stärken Kältereize unser Immunsystem. Wir sind seit Jahrmillionen auf die Jahreszeiten angepasst. Da sollten wir die Zeit nutzen, um auch bei schlechtem Wetter raus zu gehen.
Für wen ist solch ein Fitnesstraining im Freien besonders geeignet?
Für jeden. Denn unsere Körperzellen unterscheiden sich kaum von Mensch zu Mensch. Wir brauchen alle dasselbe: natürliche Reize. Training im Winter in beheizten Räumen ist vielleicht gemütlicher, aber nicht besser für unsere Gesundheit!
Als Coach und Personaltrainer arbeitest Du mit vielen Übergewichtigen zusammen. Die Ursachen für Übergewicht sind dabei sehr vielfältig. Wie gelingt es Dir die Ursachen für jeden einzelnen Fall herauszufinden?
Die Ursachen haben in den meisten Fällen lange Geschichten, die nicht nur im Hier und Jetzt zu finden sind. Ich arbeite nicht am Symptom, sondern finde heraus, wann ein Problem oder eine Lebensänderung begonnen hat. Und wodurch diese ausgelöst wurde. Dabei spielt das Natural Network eine entscheidende Rolle. Aus meiner Erfahrung denke ich, dass mindestens 80 % unser soziales Umfeld dafür verantwortlich ist, ob jemand übergewichtig ist, oder andere Symptome entwickelt.
Wie gelingt es Dir, dass sich die von Dir trainierten Menschen sich öffnen und Dir vertrauen?
Der Schlüssel ist Empathie. Ich muss nicht selbst 200 kg gewogen haben, um mich in die Lage zu versetzen, wie es sich anfühlt, mit diesem Gewicht im Alltag und in unserer Gesellschaft zu leben. Ich unterscheide dabei zwischen Mitleid und Mitgefühl. Mitleid braucht niemand, denn damit führe ich eine Klassifizierung ein. Mitgefühl ist jedoch der Weg dorthin, worum es bei übergewichtigen und jedem Menschen geht: um unsere Gefühle! Was wünsche ich mir aus tiefstem Herzen? Wie komme ich dorthin und was brauche ich dafür? Mein Werkzeug für diese Arbeit habe ich durch mein sportwissenschaftliches Studium und der Ausbildung in Psycho-Neuro-Immunologie gewonnen. Das Erfolgsrezept liegt allerdings in meiner Fähigkeit, den Menschen ganz persönlich zu sehen und anzuerkennen.
Für die meisten Couchpotatoes ist die Trägheit wohl der größte Feind. Wie kann ich meine eigene Trägheit überlisten bzw. überwinden?
Das ist witzig. Denn diese Frage stellt mir jeder! Es gibt keine Zauberformel, denn da ist jeder selbst gefragt und ganz unterschiedlich. Entscheidende Frage: Was treibt mich an? Womit bin ich glücklich und was bin ich bereit, dafür zu investieren!? Im Rheinland sagt man „Von nix kütt nix“ (von nichts kommt nichts). Das bringt es auf den Punkt. Was immer hilft: Freunde, die einen unterstützen wollen.
Viele Menschen starten mit neuem Mut und vielen guten Vorsätzen in das neue Jahr. Aber ist denn der Winter überhaupt ein guter Zeitpunkt, um solche sportlichen Vorsätze anzugehen?
Der optimale Zeitpunkt ist dann, wenn ich mir klar darüber bin, dass ich im Hier und Jetzt etwas verändern kann. Je eher ich damit starte, umso besser. In der Gruppe ist vieles einfacher! Mit einem Trainer, der mich unterstützt auch. Die Familie oder Freunde, ja sogar der Hund sind tolle Motivationspartner.
Sie haben in den letzten Jahren nun wahrlich viele Menschen trainiert. Aber gibt eine spezielle Person, mit der sie wirklich gern einmal trainieren würden?
Da ich mich in der Welt der Promis so gar nicht auskenne, kann ich an dieser Stelle niemanden nennen. Grundsätzlich trainiere ich gerne mit Menschen, die von sich aus Freude an Bewegung haben und die mich durch ihre Freude mit anstecken. Umgekehrt ist das ja sowieso der Fall…
Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte als Trainer, die Dir im Gedächtnis geblieben ist?
Als Trainer nicht wirklich, jedoch vielmehr als Coach. Vor einigen Jahren habe ich das erste Mal mit einem Menschen gearbeitet, der Morbus Bechterew hatte und sogar viele Jahre medikamentös wegen Verdacht auf Multiple Sklerose Spritzen nehmen musste. Diesen habe ich durch meine Arbeit annähernd medikamentenfrei bekommen, indem er durch eine Veränderung seiner Ernährung, Bewegung und inneren Haltung grundlegendes geändert hat. Von seinen Schmerzen und Symptomatiken ist er von 10 (für hohes Leiden) auf eine 2 (gutes körperliches Befinden) gekommen. Das hat mich sehr berührt und darin bestätigt, dass es viel mehr gibt, als Medikamente.
Fällt es Dir eigentlich auch schwer, Dich zu motivieren?
Ich bin ein Mensch, der sehr viel Antrieb hat. Motivation spüre ich auf vielen Ebenen. Dies betrifft eben nicht nur Bewegung oder Sport, sondern auch oder insbesondere meine Arbeit und das Zusammensein mit anderen Menschen. So ist meine Arbeit Leidenschaft und Passion, in der ich meine Vielseitigkeit ausleben und umsetzen kann.
Was entgegnest du Übergewichtigen die Dir versichern, dass sie sich in ihrer Haut wohlfühlen?
Ich finde heraus, ob das die Wahrheit ist. Die Frage ist: Muss ich übergewichtig sein, um mich in meiner Haut unwohl zu fühlen? Wo fängt Übergewicht an? Die wichtigste Frage ist: „Bin ich glücklich?“ Und wenn ich es nicht bin: „Was brauche ich, um glücklich zu sein?“
Hast du noch ein paar Tipps für unsere Leser?
Gesundheit ist viel mehr als gesund essen und regelmäßig Sport treiben. Wenn Sie nicht glücklich sind, können Sie nicht wirklich gesund sein. Wer nur joggen geht, weil es gesund ist, tut seiner Gesundheit damit nicht automatisch etwas Gutes. Gut ist es, wenn es Freude macht. Wir sollten weniger nachdenken und mehr „hin fühlen“, was uns gut und eben glücklich fühlen lässt… Gesunde Bewegung und Ernährung kommt dann automatisch.