Liebe kann man nicht erzwingen
Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Entführung aus dem Serail will das Theater Magdeburg mit wenig Handlung, aber „der höchsten Kunst der Musik“ das Publikum zu begeistern – eine anspruchsvolle Aufgabe.
Text: Jo Volkwein Fotos: Andreas Lander
Magdeburg| Der orientalische Fürst Bassa Selim (Ralph Martin) liebt Konstanze (Ute Bachmaier/Hale Soner), die er gemeinsam mit ihrer Dienerin Blonde (Julie Martin du Theil/Teresa Sedlmair) und deren Freund Pedrillo (Manfred Wulfert) von Piraten gekauft und in ein Serail gebracht hat. Konstanzes Verlobter Belmonte (Andreas Früh/Mirko Roschkowski) sucht sie dort, trifft aber zunächst nur auf Selims Aufseher Osmin (Johannes Stermann), der ein Auge auf Blonde geworfen hat und deshalb eifersüchtig auf Pedrillo ist. Bevor Belmonte und Pedrillo gemeinsam die Flucht der drei Gefangenen organisieren können, muss Pedrillo Osmin überlisten und Belmonte seine drängendste Frage klären: Ob Konstanze mit ihm geht oder die von Selim geforderte Liebe für den Fürsten hegt. „Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen“, sieht Selim aber ein, und lässt die Gefangenen frei. Liebe kann man eben nicht erzwingen.
Was zunächst komplex klingt, ist schnell zu durchschauen, denn: Es handelt sich um ein deutsches Singspiel, das – wie es für diese Gattung üblich ist – keiner großen Handlung unterliegt. Dafür stehen Musik und Gesang im Vordergrund, wodurch die Beziehungen und die Gefühle der Figuren deutlich herausgearbeitet werden. Seinen eigenen Stil konnte Mozart vor allem durch die für ihn typischen, langen Arien einbringen, die im Wesentlichen das Szenario auf der Bühne bestimmen. Weil die Gattung auf diese Weise besonders die deutsche Sprache ehrte, galt sie zur damaligen Zeit in den musikalisch wichtigen Städten Europas wie Wien en robe – Mozarts Erfolg war vorprogrammiert.
Die Entführung aus dem Serail ist ein typisches Stück für das Genre der Türkenoper. Sie faszinierten damals schon das Publikum, weil es keine kritische Auseinandersetzung mit der aufgeführten Thematik gab, sondern weil die orientalischen musikalischen Bestandteile im Mittelpunkt standen. Wolfgang Amadeus Mozart wollte mit seiner „Entführung aus dem Serail“ keine spannende Verbrechensgeschichte erzählen, sondern die Beziehungen der Figuren zueinander vor allem über die Musik kenntlich machen. Zweck dieser Singspiele war es, die Erwartungen des Publikums an einen beeindruckenden Abend zu bedienen und deshalb wurde auf aufwendige Kostüme, ein beeindruckendes Bühnenbild und exotische Klänge natürlich trotzdem nicht verzichtet.
Wer nun aber von der Inszenierung Christian Poewes „typisch“ türkische Elemente wie Bauchtanz, Turbane und Harems erwartet, liegt falsch. In seiner Interpretation des Stücks liegt das Augenmerk tatsächlich ganz auf den Beziehungskonstellationen der Figuren; auf Pomp sollte bewusst verzichtet werden. Deshalb ist auch das wunderschöne Bühnenbild von Tanja Hofmann ganz in weiß gehalten und bleibt während des Stücks nahezu unverändert. Lediglich ein kurzer Trailer vor Beginn der Vorführung ebenso wie zwei Palmen und angedeuteter Sand weisen darauf hin, dass diese Geschichte in einem anderen Land spielt. Wenngleich auch die Kostüme des Chors und der Statisterie ebenso in Weiß gehalten sind, beeindrucken diese durch aufwendige Verarbeitungen und Ausschmückungen. Der Zweck des Ganzen wird erfüllt: Die Protagonisten, jeder in einer anderen Farbe gekleidet, fallen auf und rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit des Publikums.
Im Gegensatz zur Ur-Inszenierung von Mozart ist der Fürst Bassa in dieser Aufführung kein älterer Herr, der väterliche Gefühle für Konstanze hegt, sondern ein junger, attraktiver Mann, der durchaus für sie in Frage käme. Die Figur hebt sich wesentlich von den anderen Protagonisten ab, weil sie nur spricht und nicht singt. Beeindruckend gespielt von Ralph Martin, der sonst vor allem am Schauspielhaus tätig ist, adaptiert sie das Stück in die Moderne.
Die Entführung aus dem Serail entstand aus Mozarts Drang, sich nach einer langen Zeit in der kleinen Stadt Salzburg als Komponist in Wien zu etablieren. Mithilfe des Librettisten Gottlieb Stephanie landete er dort 1782 mit dem Stück einen großen Erfolg, der als sein Durchbruch auf dem Theater gilt. Eifersucht, Hin- und Hergerissenheit, nicht erwiderte Gefühle – die Thematik ist auch heute noch zeitgemäß. Deshalb werden die zweieinhalb Stunden auch hier am Theater Magdeburg nicht nur Gesangsliebhaber begeistern, sondern sind durchaus auch für ein jüngeres Publikum sehenswert.
Premiere: 06. Oktober 2012
Nächste Termine: 13.10.2012, 21.10.2012, 02.11.2012, 01.12.2012 (und weitere)