Neue Wege der Schwarzmalerei

Charlie Huston’s „Die Plage“ rezensiert – Charlie Huston ist ein Sonderling der Spannungsliteratur. Er sitzt nicht nur zwischen den Stühlen, er springt zwischen ihnen hin und her.

Die PlageText: Dominik Grittner, Fotos: Heyne Verlag

Magdeburg| Mit seiner Hank-Thompson-Trilogie erarbeitete er sich den Ruf als Quentin Tarantino der Schriftstellerei, mit seinem Fünfteiler um Joe Pitt versetzte er den hard-boiled-Krimi in die Welt der Vampire. Klar, gewisse Elemente treten in seinen Romanen immer wieder auf: Gewalt und Obszönitäten, coole Dialoge und abgedrehte Charaktere. Mit „Die Plage“ legt er ein Epos vor, das eben diese Elemente mit Teilen der Science-Fiction und des Dramas in sich vereint, dabei aber einen wesentlich bedrückenderen und defätistischeren Ton anschlägt, als vorangegangene Werke.

Eine Pandemie hält die Welt im Würgegriff: Ein Schlaflosigkeits-Prion befällt mittlerweile zehn Prozent der Bevölkerung. Es handelt sich hier um keinen wissenschaftlich nicht-fundierten Virus, der Menschen via Grippe dahinrafft oder in Zombies verwandelt, sondern um eine Hirnstörung, die den Betroffenen der Ruhe beraubt. Die Passanten auf Los Angeles Straßen werden zu potenziellen Amokläufern, denn wer keinen Schlaf findet, verliert den Verstand.

Der Held ist der gebrochene Polizist Park, dessen Frau bereits am sogenannten SLP leidet. Bei ihrem gemeinsamen Baby ist noch nicht sicher, ob es befallen ist. Parks Aufgabe ist es, die Droge Dreamer ausfindig zu machen. Mit ihr wird auf dem Schwarzmarkt LA’s gehandelt. Und sie ist das einzige Mittel, das gegen SLP Wirkung zeigt. Die Uhr tickt, denn die bereits jetzt gibt es seitens der verzweifelten Einwohner LA’s Straßenunruhen. Sollte herauskommen, dass ein Heilmittel gegen Schlaflosigkeit im Umlauf ist, droht die Situation zu eskalieren. Die angespannte Atmosphäre beherrscht den gesamten Roman.

Es sticht besonders hervor, wie bewusst Huston mit der Seuche umgeht: Er zeigt die psychischen Folgen des Einzelnen, stellt aber genauso die globalen Ausmaße der Krankheit dar. Das schwarzmalerische Szenario wird detailliert geschildert und scheint unserer jetzigen Weltsituation zu entspringen. Da verwundert nicht, dass die Story im Jahre 2010 angesiedelt ist. So sehr man Huston für die genaue Recherche und den weltpolitischen Weitblick auf die Schulter klopfen möchte, darf man nicht ignorieren, dass viel erklärt und die Story stellenweise in der Schwebe hängen gelassen wird. Dem Thrillerleser wird das gewöhnungsbedürftig vorkommen. Hinzu kommt der unkonventionelle Stil, der sich mit Park in der Beschreibung der 3. Person, Parks eigenen Tagebuchnotizen und der Ich-Perspektive Jaspars – der Auftragskiller, der auf Park angesetzt wurde – abwechselt. Das ist gewagt und interessant, birgt am Ende des Buches auch einen großen Aha-Effekt, wird dem Strukturliebhaber jedoch sauer aufstoßen.

Hustons „Die Plage“ muss man letztlich als das akzeptieren, was es ist: Kein geradliniger Thriller, der unterhalten will, sondern ein umfassendes Panorama der Düsternis, das inhaltlich und literarisch nach einem gewissen Anspruch strebt. Huston ist eben ein Sonderling.

Charlie Huston
»Die Plage«
Übersetzt von Alexander Wagner
Heyne, 2011, 544 Seiten
ISBN 978-3-453-40731-2

 


 


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