Christoph Koch – Ich bin dann mal offline
Mails, soziale Netzwerke und Online-News – ohne das Internet wäre es für viele Menschen heute unvorstellbar, den Alltag zu meistern. Die große Frage: Ist das ein Fluch oder ein Segen? Christoph Koch versucht mit wochenlanger Internetabstinenz eine Antwort zu finden.
Text: Dominik Grittner Grafik: Blanvalet
Magdeburg| Die Idee zu dem Selbstversuch entsprang schon fast einer trivialen Situation: Der NEON– und jetzt.de-Redakteur Christoph Koch wollte nach einem Streit seiner Freundin beweisen, dass er es auch eine Weile ohne Internet und Handy aushält. Dabei ist Koch ein Mensch, der sich in so ziemlich allen Situationen des Internets bedient, der ins Kino geht und vor der Vorstellung via I-Phone nachschaut, welche Stellen im Film sich zum Pinkelngehen oder Popcornnachfüllen eignen.
Worauf sich der Autor einlässt, wird ihm erst im Laufe seines Experiments klar: Es fühlt sich ohne Internetzugang an, als würde er den ganzen Tag „abdichtende Ohrstöpsel tragen“. Die Abschottung von stets verfügbaren Informationen lässt ihn zweifeln, gefährliche Situationen in den Griff zu bekommen: Was, wenn an einem kalten Sonntagnachmittag die Gasheizung versagt? Er könnte nicht auf wer-weiß-was.de nach lebensrettenden Lösungen suchen.
Es ist eine Art Metamorphose, die Koch in seiner ausgeloggten Zeit durchmacht: Nach anfänglicher Irritation, wie er denn ohne digitale Hilfsmittel seine täglichen Aufgaben absolvieren soll, gerät er langsam in einen gelassenen Zustand. Es wird ruhiger in seinem Leben. Koch beginnt, das Internet differenzierter zu betrachten. Er befragt Anthropologen nach psychologischen Auswirkungen des Netzes, beleuchtet die Theorie der 150-Freunde-Grenze oder hakt nach, warum soziale Netzwerke schneller zum Seitensprung verführen. Er reist nach Missouri und spricht mit den Amisch, die jede Form von Fortschritt verweigern und interviewt Blogger Sascha Lobo, der von sich selbst sagt, täglich 80 Prozent seines Wachzustandes online zu sein und fünf Handys zu besitzen.
In Ich bin dann mal offline bezieht sich Koch nicht nur auf seine eigenen Erfahrungen, auf seine Informationsisolation und das Wertschätzen von Geburtstagseinladungen via Telefon, sondern schaut weit über den virtuellen Tellerrand. Leichtfüßig und ohne Schwarz-Weiß-Denken geht Koch unserem multimedialen Verhalten wissenschaftlich auf den Grund. Stets mit einer gewissen Prise Humor. Nach dem Zuschlagen des Buches fragt sich der Leser, ob er sich nicht vielleicht selbst an das Experiment wagen sollte.
Unsere Redakteurin Jenn hat den Test selbst ausprobiert: 40 Tage ohne Internet und Handy. Ihren Erlebnisbericht könnt ihr in der Youngspeech-Printausgabe Nummer 2 nachlesen. Die Magazine liegen kostenlos in Magdeburg aus.
Christoph Koch: Ich bin dann mal offline, Neuauflage: 290 Seiten, Blanvalet