Ist das ein Sachbuch?

Drogen nehmen, nächtelang durchfeiern – Raven! Und das unter anderem „wegen Deutschland“. Das Werk von egotronics Frontmann Torsun und Autor Daniel Kulla markiert zusammen mit dem neuen Album Macht keinen Lärm das 10-jährige Bandjubiläum. Am 25. Januar machen die beiden auf ihrer Lesereise Station im Magdeburger Café Central, um Raven wegen Deutschland vorzustellen. Youngspeech-Redakteur Daniel Jakubowski hat vorab das Buch gelesen und mit Torsun darüber gesprochen.

Text: Daniel Jakubowski   Fotos: Audiolith

Magdeburg| Mit Literatur verhebt man sich schnell – so überschwemmt heutzutage ein unheimlich beliebiges Sammelsurium aus „Ich-wollte-auch-mal-was-erzählen“-Literatur von B-Schriftstellern, die eigentlich einer anderen Profession nachgehen, den Büchermarkt. Bei den reichlich blogerprobten Autoren dieses Stücks Rave-Literatur verhält es sich ganz anders.

Raven wegen Deutschland ist eine Abwandlung des egotronic-Klassikers Raven gegen Deutschland. Das Lied ist auf dem Album vertreten, welches der Band im Jahr 2007 einen entscheidenden Durchbruch brachte und Dreh- und Angelpunkt des Buches ist. Der Titel ist wiederum die Abwandlung einer Banneraufschrift von einer Anti-Nazi-Demo in Berlin, die lautete „Deutschland muss sterben, damit wir raven können!“ Denn Torsun bezeichnet sich als antideutsch. Dementsprechend finden politische Ansichten, allen voran in Bezug auf Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung, immer wieder Erwähnung.

Der Hauptteil des Buches stammt von Torsun. Er erzählt, wie er sich von emotional ganz unten nach ganz oben arbeitete und das so wichtige Album Lustprinzip zur Veröffentlichung brachte. Der Weg dahin war von Drogen gepflastert. Torsun beschreibt einen Exzess am anderen, eine unendliche Aufreihung von Drei-Tage-Wach-Erlebnissen: „Wir nahmen einfach alles und so viel wir kriegen konnten. Mir war aber immer wichtig, nicht süchtig zu werden. Zumindest nicht in dem Sinne, täglich irgendwelche Mittelchen zu brauchen um zu funktionieren.“ Sprunghaft von der Oberfläche in die Tiefe und zurück wechselnd ist man nach einer Weile Lesen entweder außer Atem oder einfach gelangweilt.

Am Ende folgt von Kulla eine Bandgeschichte. „Kullas Teil erzählt so einiges über den politischen Kontext, in dem wir uns bewegten und bewegen. Das wurde so bisher noch nie aufgedröselt“, erklärt Torsun. Daniel Kulla berichtet von der Entstehung und Entwicklung der Band immer vor dem Hintergrund politischer Aktivitäten. Er verwendet dabei eine Mischung aus Jargon und Fachsprache, mit der er ein komplexes Bild des breit gefächerten Meinungsspektrums innerhalb einer heterogenen Szene zeichnet. Um dem argumentativ stark verdichteten Bericht folgen zu können, bedarf es definitiv historischen und politischen Vorwissens.

Was Torsun und Kulla versuchen, besticht über einen anderen als den literarischen Mehrwert. Raven wegen Deutschland ist das Dokument einer in der breiten Masse verpönten oder zumindest skeptisch betrachteten Lebensführung. Gegen Lohnarbeit, antideutsch, „faul“. Letzteres beinhaltet eine Wertung, die vielen gar nicht auffallen würde. Denn Faulheit kann nur dann als Prinzip bestehen, wenn man Leistung als Ausdruck von Normalität annimmt. Der Drogenkonsum wird in dieser Logik als Auslöser angenommen. Dabei ist es wesentlich simpler. Torsun: „Ob Drogen irgendwelche bahnbrechenden Erkenntnisse mit sich bringen, wage ich zu bezweifeln. In punkto Lustgewinn sind sie jedoch zumindest für mich eine große Hilfe.“ Mehr nicht. Es bietet sich an, das Buch als eine Erweiterung zu lesen, die Illustration einer Alternative.

Viele werden das Buch abtun als „eine bekloppte Fantasie von drogenverseuchten Typen“. Was sich in dieser Kritik (oder Meckerei?) äußert, ist ziemlich eindeutig worauf das Buch abzielt. Denn bei Lichte besehen ist es wohl genau diese Haltung, die zwar gern gesehen weil systemkonform ist, aber in der sich letztlich nur Intoleranz äußert: „Ob das Buch Teil eines Diskurses ist? Vielleicht. Es zeigt, dass man Drogen nicht nur nimmt, weil man ’ne arme Wurst und immer traurig ist, was gesellschaftlich ja meistens vermittelt werden soll.“

Lesung: Raven wegen Deutschland, 25. Januar, 21.00 Uhr, Café Central Magdeburg


 


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