Gesehen: Polyana Felbel und Jonas David

Mittlerweile wissen Musikkenner, dass sie Qualität erwartet, wenn neben der Bühne das TV-Noir-Logo über einen kleinen Röhrenfernseher flackert. Das Wohnzimmer für Singer und Songwriter zeigt, dass es wichtig ist, junge deutsche Acts auf Tour zu schicken.

ProtestText: Dominik Grittner Fotos: Robert Meinel

Magdeburg| „Danke, dass ihr nicht zu Herbert gegangen seid“, begrüßt Jonas David die Zuschauer. Er macht einen etwas weltfremden Eindruck, streut mit seinen Ansagen ab und an ein paar trockene Witze ein. Die Stimmung ist entspannt, locker, was dadurch gefördert wird, dass die Zuschauer heute auf gepolsterten Stühlen sitzen.

Eben noch stand Polyana Felbel auf der Bühne, ihre Band und die von Jonas David wechseln sich alle zwei, drei Songs ab, leihen sich auch mal gegenseitig die Musiker. Polyanas Songs genießt man tatsächlich am besten im Sitzen, Folkmusik mit Popausbrüchen, leicht wie Zuckerwatte. Es ist süß, wie Polyana gefühlvoll ihre Strophen singt und sich dabei am Rockzipfel festhält; da denkt man gar nicht, dass die Frau auf einmal ordentlich losröhren kann, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

Jonas David dagegen macht erdige Gitarrenmusik, die gerne mal ausufert, aber dennoch nie verpasst, auf den Punkt zu kommen. Die Intensität ist ansteckend, sodass man am liebsten aufspringen möchte, besonders, wenn die Songs mit laut/leise-Kontrasten experimentieren und im aufgeladenen Falsettgesang münden. David lässt sich von der Musik treiben, hält die Augen stets verschlossen. Und spätestens wenn er zwischen den Akkorden auf der Gitarre spontan Beats trommelt, wird klar, dass er ein Vollblutmusiker ist.

Zum Schluss des Doppelkonzerts stehen Jonas David und Polyana Felbel gemeinsam auf der Bühne, um Davids Song Darkness around zu singen – der vielleicht großartigste Moment des gesamten Abends: David spielt und singt sich die Seele aus dem Leib, während Polyanas Stimme via Mikro mit Halleffekt bis hoch zu den Torbögen der Festung Mark tönt. Der Eindruck bestärkt sich: Selbst wenn man die auftretenden Acts nicht kennt, wenn TV Noir darüber steht, wird es gut. Wahrscheinlich sagte sich jeder, der den Konzertsaal verließ und sich bestenfalls noch eine Zigarette anzündete: „Gut, dass ich nicht zu Herbert gegangen bin.“



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