Lasst die dicken Beats erklingen!

Vit-Armin Bs neue Platte, die den markanten Titel „Vagabundierende Gewaltkompetenzen“ trägt und bestückt ist mit 15 saftigen HipHop-Tracks, wirft mehr Licht als Schatten auf sein bisheriges Wirken als gestandener HipHop-Artist.

P7Text: Vanessa Kanz | Fotos: Stephan Michaelis, Fabian Benecke

Armin Bethke, alias Vit-Armin B, wählte aus hunderten unveröffentlichter Songs diejenigen aus, die sich nun auf dem Album befinden und den Hörer einladen, sich mit seiner kreativen HipHop-Musik auseinanderzusetzen. Selbst verantwortlich für das Texten, die Aufnahmen, sowie die Mixdowns, ist es dennoch kein ausschließliches Soloalbum des Vit-Armin Bs. Durch die Einbindung verschiedener Künstler gibt er jedem Track ein anderes Gesicht. Eröffnet wird das Album durch den Song ‚Fresh (Eigenlob stinkt)‘, in welchem Vit-Armin B zunächst sein Solo-Können unter Beweis stellen will. Der Track personifiziert geradezu das Klischee des freshen HipHop-Acts dieser Tage. Leider fehlt den Reimen der letzte Witz und auch der Beat schlürft eher unbemerkt bis zum Ende hin. Man hätte sich ein hitzigeres Vorspiel gewünscht, welches dem Hörer gleich einleitend die verstärkte Erwartungshaltung auf das Kommende impliziert.

Vom seichten Einstieg geht’s aber dann mit zügigerem Tempo weiter in Richtung des Plattenkerns. Verstärkung holt sich Vit-Armin B in seinem Track ‚M.O.E.‘ von Main Moe und Dr. Abily. Es klingt wie lockerer, cooler Deutschrap mit einem Schlag amerikanischer Geldgeilheit. Gleichwohl harmonisieren die dunkelstimmigen, englischensprachigen Passagen im Refrain mit dem restlichen deutschen Rap, wodurch es dem Hörer schwer fällt, nicht mit dem Kopf im Takt zu wippen.

Einen weiteren internationalen Touch erhält die Platte im Song ‚Balalaika‘, aufgenommen mit JMD. Fierce, Leroy Bangs, Sirius und Trik 17. Die Rapgruppe M.I.R. – Made in Russia, bestehend aus Sirius, Elias Fogg & Fierce, sorgen im Übrigen in den letzten Monaten immer wieder für positive Magdeburger Rap-Momente. Doch zurück zum Song: Nicht nur der russische Part verdeutlicht, dass guter HipHop nicht unbedingt immer verstanden werden muss, um mitgerissen zu werden, sondern auch die wohldosierten Balalaika-Samples, lassen die musikalische Vielfalt der Scheibe erahnen. Der Track beinhaltet jedoch daneben eine gewisse Divergenz und ironische Wendung. Ein Rap-Äquivalent zur eindimensionalen Machoökomonie der späten achtziger Jahre des amerikanischen HipHops, welches abrupt und überraschend, ja beinahe sensibel endet. Man fühlt sich regelrecht von den Jungs stehen gelassen und nicht abgeholt.

Abgeholt und mitgenommen wird man schließlich von Vit-Armin B, Qendrim Tarantino und Leroy Bangs durch die derbe Hymne auf Magdeburg als HipHop-Zentrum in ‚Hi Kids‘. Überspitzt werden die Magdeburger Kids als pillenabhängige Masse abgestempelt. Er unterläuft mit seiner Übertreibung die Erwartungen, dass Rapper und Musiker danach leben, was ihnen ihre Kunst vorzuschreiben mag, in dem er seinem Publikum den Spiegel vorhält und ihm einen irritierenden Mix aus Fakten und Fiktion, Seriösem und Sensationen serviert. Um weitere Erfahrungsbewältigungen seitens der Künstler geht es auch im anschließenden Track. Denn wer kennt das Problem der ‚Gerüchte‘ nicht?! Während Mart’n’Jay sich in dem Lied eher allgemein mit dieser Problematik auseinandersetzt, lässt Vit-Armin B dem Hörer Einblick gewähren über das, was ihm tatsächlich einst widerfahren ist oder noch immer widerfährt. Das Lied erhält zudem eine politisch geschichtliche Ebene durch die anfangs eingespielte Äußerung des Staatsanwalts Jim Garrison, der die Unschuld des Angeklagten Lee Harvey Oswalds, bezüglich des Kennedy-Mordes 1963, belegen konnte. Seine Bemerkung, dass vieles in den Medien unwahr ist und dennoch popularisiert wird, ist in dem Track ‚Gerüchte‘ einbezogen und musikalisch verarbeitet.

Verschnaufen kann der Hörer im Verlauf des Albums hauptsächlich bei den Songs ‚Es lohnt sich‘ und ‚Blütentropfen‘. Beide transportieren eine ruhige, nachdenkliche Atmosphäre und thematisieren unter anderem das Sujet der Selbstzweifel. Vor allem Letzteres, in Zusammenarbeit mit Smuuf, erfrischt durch die weiche Frauenstimme im Refrain. Trotzdem ‚Blütentropfen‘ eine leichte Disharmonie im Kehrvers aufweist, fühlt man sich für einen flüchtigen Augenblick wie angekommen. Ein kurzer Halt und ein geschenkter Moment der Reflexion in dem doch sonst schnell rhythmischen Album. Eines der Sahnestücke des Albums ist der Song ‚Kreativität‘ (mit Trik 17). Der durchaus passende Titel gibt an, was drin steckt: Kreative Reime, die durch ausgewählte Metaphern Bilder im Kopf entstehen lassen. Sehr zu empfehlen ist, nebenbei bemerkt, das dazugehörige und ebenfalls originell gestaltete Musikvideo.

Eine kleine Überraschung erlebt man bei ‚Milch und Zucker‘. Dieser Track entpuppt sich wahrlich als echter „Ear-Catcher“. Die exotischen Flötentöne im Hintergrund, die den Hörer wie auf einer Welle durch das gesamte Lied tragen und der gewisse Grad an Mainstream, laden zum Mitsingen und Tanzen ein. Gern drückt man bei diesem Ohrwurm-Garant auf ‚Wiederholung‘.

‚Dope End Theory‘ bildet letztlich das Finale des Albums. Zunächst wird man vielversprechend von Null auf 100 in den Song geschmissen. Ein Song in dem Vit-Armin B auf all die Diskussionen der letzten Monate antwortet. Eine einschneidende, selektive Diskussionsrunde ohne kritischen Gegenpart, die seinen Standpunkt verdeutlicht, jedoch Hörern ohne genügend Hintergrund-Wissen zu viele Fragen aufgibt. Das Album ist nicht zuletzt aufgrund der vielen, facettenreichen Tracks, empfehlenswert. Ist ein richtiger, sich durchziehender roter Faden zwar nicht erkenntlich, so macht es dennoch Spaß dem Chaos und dem Versuch der künstlerischen Selbstfindung von Vit-Armin B und seinen Jungs zuzuhören und freilich wahre Perlen zu entdecken.

Zu bekommen ist das gute Werk direkt über Mediafire oder als Stream zu hören über soundcloud.com.


 


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